Museologie

Destillat: Über das Original im digitalen Zeitalter

Das Verhältnis von Original und Kopie, Replikat und Fälschung muss im Zeitalter der Digitalisierung neu gedacht werden. Ist die digitale Erfassung eines Objekts eine simple Kopie von diesem oder ist es selbst ein Original bzw. welche Kriterien sind für diesen Unterschied entscheidend und welchen Status nehmen die digitalen Kopien im Vergleich zu den Originalen und nicht digitalen Kopien/Repliken ein?

Immer mehr Museen digitalisieren ihre Archive um einen leichteren Zugang zu den einzelnen Exponaten zu ermöglichen. Diese Digitalisierung hat viele Vorteile: man kann unabhängig von Ort und Zeit einen Zugang zu den Daten erhalten und die Möglichkeiten der Übersicht und der Verweisbarkeit vervielfachen sich um eine Großes. Gleichzeitig bringt diese Digitalisierung aber auch viele Fragen mit sich, so ist der digitale Zugang an sich nur für Personengruppen mit einem Internetzugang möglich – was jedoch nicht automatisch eine Vermittlung generiert – davon abgesehen ist nicht gesagt, dass jedes Museum sein Digitales Archiv für die breite Öffentlichkeit zugänglich macht. Dies eröffnet Fragen nach Besitzverhältnissen, der Monopolisierung von Daten und damit auch von Wissen. Fragen, die bereits außerhalb des digitalen Raumes eine gesellschaftliche Rolle gespielt haben: Wer besitzt das Original eines Kunstwerkes/Exponats, wer besitzt eine Kopie und wer kann sich welches leisten?

Während diese Faktoren im historischen Rückblick vor allem bei einer gesellschaftlichen Situierung der Besitzenden eine Rolle spielten, könnten Sie heute helfen einen dauerhaften Zugang zu Objekten von fragwürdiger Provenienz zu erlauben und damit zu einer Restituierung der Originale beizutragen. Da insbesondere bei ethnographischen Objekten der Status von Orginial und Kopie eine besondere Rolle einnimmt, sollte eine Digitalisierung dieser immer in Zusammenarbeit und unter Zustimmung der Herkunftsgesellschaften erfolgen, um durch diese nicht nur die Originale nicht zu beschädigen, sondern auch die Herkunftsgesellschaften in eine mögliche Nutzung der Archive einzubeziehen.

Posted by AS, 19. Jan 2019
Original Digitalisation Female Germany Institution Internet Culture Künstler_in Museologie Russia

Zitat: The Life of Thing

If gods and goods can be confused, then so too can commerce and culture. The distinctions that we often draw between the two — and the morality with which we judge them — might well be false. In this case, the trade show precedes culture. Commercial spectacle is the matrix that spawns the cultural institution. Manufacturing creates the museum. And the objects and collections that the museums contain are simply products given special status by the place that holds them. Meanings and significances are projected onto objects rather than intrinsic to them or baked into their material form. The meaning of objects here becomes circumstantial. The same thing somewhere else performs very differently.

 

Source: Sam Jacobs, Life Amongst Things, in MacGuffin “the Life of Thing”, 2018

Posted by ft, 20. Jan 2019
Property England Museologie Objekt Sam Jacobs

Zitat: Kolonialismus im Kunstmuseum

Ziel einer kritischen Reflektion der eigenen Geschichte muss es sein, nicht nur die Verflechtungen von ökonomischem und kulturellem Leben zur Zeit des europäischen Kolonialismus zu hinterfragen, sondern auch zu analysieren, wie hartnäckig sich koloniale Bilder in der Kunst und im Alltag halten. Gerade in Werken der klassischen Moderne lassen sich die Darstellung und der Umgang mit dem „Fremden“ exemplarisch untersuchen, gewöhnlich eine Mischung aus künstlerischer Bewunderung und Projektion eskapistischer Utopien und exotisierender Fantasien. Instruktiv ist dabei die Einbeziehung kritischer Positionen zeitgenössischer Kunst, um der historischen Aufarbeitung eine ästhetische Auseinandersetzung hinzuzufügen.

Vor dem Hintergrund der heutigen Effekte von Globalisierung und Migration sollte eine Reflektion des geschichtlichen Vermächtnisses des kolonialen Handels, der Industrie und Emigration ausdrücklich auch Anstoß sein, neue Fragen nach kultureller Differenz und Identität zu stellen. Die kritische Aufarbeitung kann nicht nur überraschende historische Einsichten generieren und eine Sensibilisierung und Bewusstseinsveränderung bei Publikum, Wissenschaft und in Museen bewirken, sondern öffnet das Museum auch für neue Zielgruppen. Essentiell ist dabei die intensive konzeptionelle wie inhaltliche Einbeziehung von und Kooperation mit verschiedenen ethnischen Communities, postkolonialen Aktivisten, politischen Parteien, verantwortlichen Verwaltungen wie universitären Partnern, um neue Perspektiven zu erlauben und einer Aufarbeitung Authentizität und Glaubwürdigkeit zu verleihen.

 

Quelle: Christoph Grunenberg; Leitfaden zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten; Deutscher Museumsbund e.V.; Berlin, Mai 2018

Posted by ft, 20. Jan 2019
Property Christoph Grunenberg Germany Human Migration Kolonialismus Kulturelles Erbe Museologie Postcolonial Sammler_in

Zitat: Digitalisierung des kulturellen Erbes

Die Digitalisierung des kulturellen Erbes stellt die Kultur- und Gedächtnisinstitutionen in vielerlei Hinsicht vor große Herausforderungen. Gleichzeitig bietet die Digitalisierung weitaus größere Chancen: Die Einrichtungen unseres kulturellen Erbes können auf ganz neue Weise mit all den Vorteilen des Digitalen ihrem Auftrag nachkommen, Artefakte zu sammeln, zu bewahren, zu erforschen und jedem in einem gemeinsamen Lern- und Wissensraum zugänglich zu machen. Bei diesem Vorhaben sind allerdings eine Vielzahl von technischen, organisatorischen und insbesondere rechtlichen Fragen zu meistern. Lassen sich technische Fragen oft noch lösen, setzen die rechtlichen Rahmenbedingungen des Urheberrechtes und seiner verwandten Schutzrechte ein strenges Regelwerk vor die (freie) Nachnutzbarkeit von Kulturerbedaten. Doch dieses Regelwerk bietet auch Gestaltungsfreiräume. Richten wir den Blick auf das, was geht. Beeinflusst von den Pionieren der freien Nachnutzbarkeit, wie z.B. dem Rijksmuseum in Amsterdam oder dem Nationalmuseum Stockholm, stellen auch in Deutschland immer mehr Kulturerbeeinrichtungen ihre Sammlungsobjekte unter eine offene Lizenz und achten darauf, dass die Gemeinfreiheit des analogen Objektes auch im Digitalen erhalten bleibt.

Quelle: Paul Klimpel, Fabian Rack, John H. Weitzmann; Handreichung, Rechtliche Rahmenbedingungen für Digitalisierungsprojekte von Gedächtnisinstitutionen; digiS Berlin; November 2017

Posted by ft, 20. Jan 2019
Property Commons Digital Digitalisation Germany Institution Internet Culture Kulturelles Erbe Kulturwissenschaft Museologie digiS Berlin

Zitat: Taking a “copy” home

Taking home a “copy” of a sculpture at the Met is exciting, but it might be even more fun to use that work as an inspiration for your own creations.

(Don Undeen 2013)

Quelle: Omnia sunt Communia: Das kulturelle Erbe hacken
Original und Kopie im ethnographischen Museum von Sophie Lembcke

In: Archive dekolonialisieren: Mediale und epistemische Transformationen in Kunst, Design und Film (Edition Kulturwissenschaft) von Eva Knopf (Herausgeber), Sophie Lembcke (Herausgeber), [transcript] Edition Kulturwissenschaft, 2018, S. 57

Posted by AS, 20. Jan 2019
Original Don Undeen Kunstgeschichte Medientheorie Museologie Sophie Lembcke USA

Zitat: Colonial notion of possession

With the data leak as a part of this counter narrative we want to activate the artefact, to inspire a critical re-assessent of today’s conditions and to overcome the colonial notion of possession in Germany.

(Al-Badri/Nelles 2015)

Quelle: Omnia sunt Communia: Das kulturelle Erbe hacken
Original und Kopie im ethnographischen Museum von Sophie Lembcke

In: Archive dekolonialisieren: Mediale und epistemische Transformationen in Kunst, Design und Film (Edition Kulturwissenschaft) von Eva Knopf (Herausgeber), Sophie Lembcke (Herausgeber), [transcript] Edition Kulturwissenschaft, 2018, S. 60

Posted by AS, 20. Jan 2019
Original Female Germany Jan Nikolai Nelles Kolonialismus Kulturkritik Kunstgeschichte Künstler_in Künstlerische Forschung Male Museologie Nora Al-Badri Sophie Lembcke

Zitat: Zwei Originale

So stehen jetzt zwei Originale nebeneinander und damit stellt sich die Frage, wer welche Büste besitzt: eine gehört derzeit der SPK/Deutschland, eine prinzipiell Allen.

Damit lenken Al-Badri/Nelles den Blick darauf, in welchem Wertesystem das Verhältnis Original-Kopie-Replikat ausgehandelt wird: Al-Badri/Nelles ( und auch Haim-Wenscher) bringen mit ihren Transkriptionen uwar ebenfalls das Original (die Nofretete-Büste im Neuen Museum) erst als Original hervor, ohne jedoch dabei eine Kopie zu erhalten – die Künstler*innen bringen gleichzeitig weitere Originale hervor, indem der Status als Original diskursiv abgesichert ist durch ihre Autorschaft, qua Kennzeichnung des Hacks als “ihr” Kunstwerk – und gleichzeitig ist es dank public domain: Allen.

Quelle: Omnia sunt Communia: Das kulturelle Erbe hacken
Original und Kopie im ethnographischen Museum von Sophie Lembcke

In: Archive dekolonialisieren: Mediale und epistemische Transformationen in Kunst, Design und Film (Edition Kulturwissenschaft) von Eva Knopf (Herausgeber), Sophie Lembcke (Herausgeber), [transcript] Edition Kulturwissenschaft, 2018, S. 60

Posted by AS, 20. Jan 2019
Original Female Germany Jan Nikolai Nelles Kulturwissenschaft Kunstgeschichte Medientheorie Museologie Nora Al-Badri Sophie Lembcke

Zitat: The traditional role of museums

The traditional role of museums is to collect objects and materials of cultural, religious and historical importance, preserve them, research into them and present them to the public for the purpose of education and enjoyment.

The early museums were elitist, uninspiring and aloof as they encouraged only the educated people to visit them. The general public were excluded. This focus has today become too narrow and unacceptable in a changing world where there is sustained clamour for more openness, pragmatism and collective involvement in dealing with issues that impact on people, communities and nations.

Emmanuel N. Arinze, The Role of the Museum in Society (1999)

Posted by wc, 20. Jan 2019
Funktionen Africa Emmanuel N. Arinze Institution Male Museologie Museum Education Nigeria

Zitat: Digitale Rechte

Ein Digitalisat wird in Deutschland als Eigentum des Digitalisierenden, in diesem Falle der Institution, verstanden. Eine ehemalige Mitarbeiterin der Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB), Ellen Euler, sagte:

„Zwar versprechen Wissenschaftseinrichtungen in der Berliner Erklärung einen barrierefreien und offenen Zugang zu kulturellem Wissen, bei dem die Nutzer auch Wissen vervielfältigen und weitergeben dürfen, allerdings ist das in der Praxis häufig noch nicht gegeben. Denn durch die Digitalisierung von gemeinfreien Werken erwerben die Kulturerbeeindichtungen Rechte. (Anm. SL Schutzrechte wie bei der fotografischen Reproduktion) an ihnen.“ Euler 2017)

Quelle: Omnia sunt Communia: Das kulturelle Erbe hacken
Original und Kopie im ethnographischen Museum von Sophie Lembcke

In: Archive dekolonialisieren: Mediale und epistemische Transformationen in Kunst, Design und Film (Edition Kulturwissenschaft) von Eva Knopf(Herausgeber), Sophie Lembcke (Herausgeber), [transcript] Edition Kulturwissenschaft, 2018, S.56

Posted by AS, 19. Jan 2019
Original Digitalisation Ellen Euler Female Germany Institution Kulturwissenschaft Medientheorie Museologie Sophie Lembcke

Zitat: Die Falsche Nofretete

2008 veranlasst die SPK (Stiftung Preussischer Kulturbesitz) eine genauste Abformung der Nofretete-Büste durch das Ingeniersbüro TrigonArt. Deren Mitarbeiter*innen erstellten mit Hilfe von 3D-Streifenlicht-Scans ein digitales Modell und nachfolgend in einem Polyjet-3D-Druckverfahren eines aus Kunststoff. Von dieser Form ausgehened nahm die SPK Gips-Werkstatt eine Silikonform ab und unternahm unter hohem technischen Aufwand den Versuch, die Büste nahezu “originalgeträu” nacharbeiten zu können. Für die “authentischen” Farbrezepturen erfolgte eine Farbabgleichanalyse durch das Rathgen-Forschungslabor, damit sogenannte “Original-Pigmente” verwendet und in “historischen Malverfahren” aufgetragen werden können. Das nachfolgende Hinzufügen von Patina und den alterbedingten Schäden des Originals soll der “originalgetreue” dienlich sein, “so dass jede Reproduktion ein Unikat darstellt” – also möglichst “perfekte” Kopie sei, preist das Forschungslabor die eigene Arbeit an. Ohne aufwändige technische Hilfsmittel und enormes Wissen ließe sich Kopie von Original kaum mehr unterscheiden. Durch die lange Geheimhaltung der Büste nach der Ausgrabung ranken sich seit jeher Gerüchte darum, dass hinter den Glasfenstern ihrer Vitrine die Büste der Nofretete auch als ihre eigene Kopie ausgestellt sein könnte, oder sie schon immer eine “Original-Fäschung”, ein Falsifikat war.

Diese erneute Transkription der Büste der Nofretete ist begleitet von der Tatsache, dass das Neue Museum Berlin als staatliche Institution nicht nur die Büste, sondern auch die Daten ihres Scans unter Verschluss hält. Die SPK stellt zwar Daten für nicht-kommerzielle Zwecke zur Verfügung, verhindert aber andere Anwendungsmöglichkeiten.

Quelle: Omnia sunt Communia: Das kulturelle Erbe hacken
Original und Kopie im ethnographischen Museum von Sophie Lembcke

In: Archive dekolonialisieren: Mediale und epistemische Transformationen in Kunst, Design und Film (Edition Kulturwissenschaft) von Eva Knopf(Herausgeber), Sophie Lembcke (Herausgeber), [transcript] Edition Kulturwissenschaft, 2018,  S. 55

Posted by AS, 19. Jan 2019
Original Archäologie Female Germany Kulturwissenschaft Kunstgeschichte Medientheorie Museologie Sophie Lembcke