Zitat: Kolonialismus im Kunstmuseum

Ziel einer kritischen Reflektion der eigenen Geschichte muss es sein, nicht nur die Verflechtungen von ökonomischem und kulturellem Leben zur Zeit des europäischen Kolonialismus zu hinterfragen, sondern auch zu analysieren, wie hartnäckig sich koloniale Bilder in der Kunst und im Alltag halten. Gerade in Werken der klassischen Moderne lassen sich die Darstellung und der Umgang mit dem „Fremden“ exemplarisch untersuchen, gewöhnlich eine Mischung aus künstlerischer Bewunderung und Projektion eskapistischer Utopien und exotisierender Fantasien. Instruktiv ist dabei die Einbeziehung kritischer Positionen zeitgenössischer Kunst, um der historischen Aufarbeitung eine ästhetische Auseinandersetzung hinzuzufügen.

Vor dem Hintergrund der heutigen Effekte von Globalisierung und Migration sollte eine Reflektion des geschichtlichen Vermächtnisses des kolonialen Handels, der Industrie und Emigration ausdrücklich auch Anstoß sein, neue Fragen nach kultureller Differenz und Identität zu stellen. Die kritische Aufarbeitung kann nicht nur überraschende historische Einsichten generieren und eine Sensibilisierung und Bewusstseinsveränderung bei Publikum, Wissenschaft und in Museen bewirken, sondern öffnet das Museum auch für neue Zielgruppen. Essentiell ist dabei die intensive konzeptionelle wie inhaltliche Einbeziehung von und Kooperation mit verschiedenen ethnischen Communities, postkolonialen Aktivisten, politischen Parteien, verantwortlichen Verwaltungen wie universitären Partnern, um neue Perspektiven zu erlauben und einer Aufarbeitung Authentizität und Glaubwürdigkeit zu verleihen.

 

Quelle: Christoph Grunenberg; Leitfaden zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten; Deutscher Museumsbund e.V.; Berlin, Mai 2018

Posted by ft, 20. Jan 2019
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