Kulturelles Erbe

Destillat:

Durch die Digitalisierung musealer Artefakte entstehen neue Herausforderungen und Fragestellungen zu Besitz, Eigentum und Kontrolle. Warum halten Museen im Kontext der Diskussion um digitale Technologien ihre Sammlungen inkl. der digitalen Daten zurück, fragt die Britische Anthropologin Haidy Geismar. Die Diskussion um die Verbreitung der Daten des unautorisierten 3D-Scans der Nofretete verweist insbesondere auf den restriktiven Umgang von Museen mit den Daten der digitalen Kopien der Objekte historischer Sammlungen. Die Verbreitung digitaler Objekte verursache derzeit noch Ängste sowohl auf Seiten der Museen als auch der Communities, was im Widerspruch zum utopischen Diskursen der Offenheit in Zeiten des Web 2.0. stehe.

In der westlichen Hemisphäre gelten digitale Abbilder von Objekten in der Regel lediglich als “tote” Kopien. Im Kontext der Maori beispielsweise verhält es sich anders: Artefakte können Kulturschätze unabhängig ihrer materiellen Form sein. Ein digitales Hologramm eines Stammeshauses hat den gleichen Stellenwert, wie einzelnen geschnitzten Holzstücke aus denen es gebaut wurde, welche weltweit in Museen verstreut wurden. Somit ist laut Geismar die digitale Rekonstruktion dieser Kulturgüter möglicherweise wichtiger, als die verstreuten Teile wieder physisch zusammenzutragen.

Im Gegensatz dazu können beispielsweise Malagan-Schnitzereien, welche nach Gebrauch zerstört werden müssen, digital reproduziert werden, da sie nicht als “echt” anerkannt werden und dadurch nicht der Praxis der Malaganzeremonien widersprechen.

Das Content-Management-System Mukurtu sowie Local Context sollen Communities ermöglichen eigene Bedingungen für die Verbreitung und Nutzung digitaler Artefakte zu formulieren, um politische und ökonomische Autorität der Communities trotz kolonialer Aneignungen durch Archive wiederherzustellen.

 

Posted by GS, 20. Jan 2019
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Zitat: 3D-Druck-Technologien und post-koloniale Besitzverhältnisse

Im letzten Jahren führte eine Verbesserung von 3D-Druck-Technologien zu neuen Archivpraxen, die etablierte, westliche Modelle der Geschichtsschreibung herausfordern. Mit ihnen lassen sich neue Sammlung- und Austellungskonzepte für ethnographische und kunsthistorische Museen denken. Nicht nur in der Archäologie werden diese Thecniken intensiv genutzt, sondern auch zeitgenössische Künstler*innen verunsichern in ihren Reprints den Status des originals, verwirren Urheberrechts-Diskurse und befragen durch Veröffentlichung von Print-Daten auch post-koloniale Besitzverhältnisse.

(…) Dies ist eine durchaus gängige Praxis. Weltweit haben inzwischen die meisten finanzstarken Institutionen ihre Archive komplett digitalisiert, doch obwohl die Museen oft in staatlicher Hand sind und damit Daten prinzipiell Allen gehören, sind die Daten der Öffentlichkeit meistens nicht zugänglich. Der Forderung nach Veröffentlichung der Daten stehen oft die komplexen nationalen Urheberrechts- und Verwertungsgesetze entgegen: Ein Digitalisat wird in Deutschland als Eigentum des Digitalisierenden, in diesem Falle der Institutionen, verstanden.

Quelle: Sophia Lembke, “Omnia sunt Communia: Das kulturelle Erbe hacken Original und Kopie im ethnographischen Museum”; in Archive dekolonialisieren, Mediale und epistemische Transformationen in Kunst, Design und Film; Eva Knopf, Sophie Lembcke, Mara Recklies; [transcript] Edition Kulturwissenschaft, 2018

Posted by ft, 20. Jan 2019
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Zitat: Heritage interpretation

Heritage interpretation as a system of representation and meaning-making that draws from all sorts of sources. Interpretation respects cultural differences and observes sensitivities, engages in conversations and asks questions, relates to the visitors’ individual preferences, backgrounds and cultural baggage rather than providing ready-made answers.

 

Source: Steven Engelsman about: Russell Staiff; Re-imagining Heritage Interpretation: Enchanting the Past-Future

Posted by ft, 20. Jan 2019
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Zitat: The Other Nefertiti

This artistic intervention “The Other Nefertiti” talks about decolonizing our minds, democratization of culture and about activating artifacts. We strived to make this cultural object publicly accessible and to promote a contemporary and critical approach on how the so-called “Global North“ deals with heritage and the representation of “the Other.” We should tell stories of entanglement and deconstruct. Nefertiti is a great case to start with to tell stories to differ of the dominant narrative and to see how they intertwine.

Source: Nikolai Nelles Studio, The Other Nefertiti // Nefertiti Hack

 

Posted by ft, 20. Jan 2019
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Zitat: Kolonialismus im Kunstmuseum

Ziel einer kritischen Reflektion der eigenen Geschichte muss es sein, nicht nur die Verflechtungen von ökonomischem und kulturellem Leben zur Zeit des europäischen Kolonialismus zu hinterfragen, sondern auch zu analysieren, wie hartnäckig sich koloniale Bilder in der Kunst und im Alltag halten. Gerade in Werken der klassischen Moderne lassen sich die Darstellung und der Umgang mit dem „Fremden“ exemplarisch untersuchen, gewöhnlich eine Mischung aus künstlerischer Bewunderung und Projektion eskapistischer Utopien und exotisierender Fantasien. Instruktiv ist dabei die Einbeziehung kritischer Positionen zeitgenössischer Kunst, um der historischen Aufarbeitung eine ästhetische Auseinandersetzung hinzuzufügen.

Vor dem Hintergrund der heutigen Effekte von Globalisierung und Migration sollte eine Reflektion des geschichtlichen Vermächtnisses des kolonialen Handels, der Industrie und Emigration ausdrücklich auch Anstoß sein, neue Fragen nach kultureller Differenz und Identität zu stellen. Die kritische Aufarbeitung kann nicht nur überraschende historische Einsichten generieren und eine Sensibilisierung und Bewusstseinsveränderung bei Publikum, Wissenschaft und in Museen bewirken, sondern öffnet das Museum auch für neue Zielgruppen. Essentiell ist dabei die intensive konzeptionelle wie inhaltliche Einbeziehung von und Kooperation mit verschiedenen ethnischen Communities, postkolonialen Aktivisten, politischen Parteien, verantwortlichen Verwaltungen wie universitären Partnern, um neue Perspektiven zu erlauben und einer Aufarbeitung Authentizität und Glaubwürdigkeit zu verleihen.

 

Quelle: Christoph Grunenberg; Leitfaden zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten; Deutscher Museumsbund e.V.; Berlin, Mai 2018

Posted by ft, 20. Jan 2019
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Zitat: Digitalisierung des kulturellen Erbes

Die Digitalisierung des kulturellen Erbes stellt die Kultur- und Gedächtnisinstitutionen in vielerlei Hinsicht vor große Herausforderungen. Gleichzeitig bietet die Digitalisierung weitaus größere Chancen: Die Einrichtungen unseres kulturellen Erbes können auf ganz neue Weise mit all den Vorteilen des Digitalen ihrem Auftrag nachkommen, Artefakte zu sammeln, zu bewahren, zu erforschen und jedem in einem gemeinsamen Lern- und Wissensraum zugänglich zu machen. Bei diesem Vorhaben sind allerdings eine Vielzahl von technischen, organisatorischen und insbesondere rechtlichen Fragen zu meistern. Lassen sich technische Fragen oft noch lösen, setzen die rechtlichen Rahmenbedingungen des Urheberrechtes und seiner verwandten Schutzrechte ein strenges Regelwerk vor die (freie) Nachnutzbarkeit von Kulturerbedaten. Doch dieses Regelwerk bietet auch Gestaltungsfreiräume. Richten wir den Blick auf das, was geht. Beeinflusst von den Pionieren der freien Nachnutzbarkeit, wie z.B. dem Rijksmuseum in Amsterdam oder dem Nationalmuseum Stockholm, stellen auch in Deutschland immer mehr Kulturerbeeinrichtungen ihre Sammlungsobjekte unter eine offene Lizenz und achten darauf, dass die Gemeinfreiheit des analogen Objektes auch im Digitalen erhalten bleibt.

Quelle: Paul Klimpel, Fabian Rack, John H. Weitzmann; Handreichung, Rechtliche Rahmenbedingungen für Digitalisierungsprojekte von Gedächtnisinstitutionen; digiS Berlin; November 2017

Posted by ft, 20. Jan 2019
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