Archive

Destillat: Archivierung

Der Begriff Archiv spannt einen weiten Assoziationsraum auf: Ein Lexikon zur Bündelung von Wissen und Standards, ein Archiv als Gebäude zur Speicherung und Bewahrung von Wissen, oder Archiv im Sinne von Michel Foucault (1926–1984) der sich einer prozessualen Dynamik zuwendet; Als Methode und Verfahren, die für Umschichtung und Transformation von Wissen sorgt.[1]

Dieser letzte Archivbegriff löst die Vorstellung der Sammlung einer reinen Ideengeschichte ab und setzt ihm das historische Apriori entgegen. Das Archiv ist nach Foucault der ordnende Ausgangspunkt, der die Möglichkeit und die Unmöglichkeit einer jeden Aussage innerhalb eines Diskurses bestimmt. Es ist die Summe der diskursiven Praktiken und bildet dadurch den Horizont all dessen, was überhaupt zu einer bestimmten Zeit gesagt werden kann. Dieser Gedanke berührt die Überzeitlichkeit von Archiven, und begrenzt sie selben Moment, in dem das Unsagbare/Undenkbare exkludiert wird und damit scheinbar abgeschlossen scheint.

Jacques Derrida (1930–2004) betrachtet das Archiv auf einer Meta-Ebene und bezieht die Umgebung und seinen Gebrauch mit in seine Überlegungen ein. Das Archiv kann nicht als unabhängiger Solitär gesehen werden, sondern wird von seinen Nutzern determiniert und schafft dabei selbst eine Realität. Das Archiv und seine Diskurse werden mit jeder neuen Frage und Interaktion überschrieben und erneuert. Der Kontrollverlust ist also immer eine inhärente Eigenschaft des Archives. Es ist diese Öffnung in die Zukunft (und für zukünftige Nutzer) die Derrida in das Zentrum seiner Überlegungen stellt.
In einem Archiv akkumulieren Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die verschiedenen Zeiten beeinflussen sich gegenseitig, Wissen aus der Vergangenheit wird sich auf die Gegenwart auswirken, mögliche Deutungen in der Zukunft werden bei heutigen Formulierungen berücksichtigt.

Diese weitgehend theoretischen Überlegungen lassen die Tatsache unberührt, dass Archive zumeist eine materielle Entsprechung in der Welt haben, die an bestimmte Bedingungen geknüpft sind. Die Art und Weise wie mit Gegenständen eines Archives gearbeitet wird, ist allzu häufig bestimmt durch die verwendete Technologie der Verschriftlichung und ihr Medium. Spannend bleibt, wie digitale Archive und Objektsammlungen diese Determinanten deuten und ihre Möglichkeiten ausloten.

[1] Vgl. Jörg Rogge: „Archiv(e)“, in: Ute Fritsch / ders. (Hg.): Über die Praxis des kulturwissenschaftlichen Arbeitens. Ein Handwörterbuch, Bielefeld 2013, S. 35−39, hier S. 35.

 

Posted by LMP, 21. Jun 2019
Archive Digital Humanities Digitalisation Jacques Derrida Medientheorie Michel Foucault Philosophie

Link: Kung Fu Weapons Archive

Exhibition in Hong Kong, China, 2016
by Sarah Kenderdine and Jeffrey Shaw

Hardware: Huib Nelissen
Software: Mo Luk
Production: ALiVE/ACIM, School of Creative Media, City University of Hong Kong

This iteration of Linear Navigator provides a panorama of Hakka kung fu weapons and training tools, as well as interactively located video demonstrations of their use by kung fu masters. Whenever the viewer positions the screen over one particular object, it triggers a short video clip showing the kung fu master’s handling of that respective weapon or training tool. Given that this exhibit is also in direct proximity to a display of actual objects of weaponry and training tools, it demonstrates the way in which such an interactive mediation of this corpus provides a cogent exhibition platform to explicate the intangible heritage aspect that is intrinsic to these artifacts.

https://sarahkenderdine.info/installations-and-curated-exhibitions/kung-fu-weapons-archive

https://www.jeffreyshawcompendium.com/portfolio/kung-fu-weapons-archive/

Posted by LMP, 21. Jun 2019
Archive Jeffrey Shaw Sarah Kenderdine

Zitat: Michel Foucault: Archäologie des Wissens

„Die Beschreibung des Archivs entfaltet ihre Möglichkeit […] ausgehend von den Diskursen, die gerade aufgehört haben, die unsrigen zu sein; ihre Existenzschwelle wird von dem Schnitt gesetzt, der uns von dem trennt, was wir nicht mehr sagen können, und von dem, was außerhalb unserer diskursiven Praxis fällt;“
– Michel Foucault: Archäologie des Wissens. S. 189.

Posted by LMP, 21. Jun 2019
Archive Medientheorie Michel Foucault Philosophie

Zitat: Jacques Derrida: Mal d’Archive // Dem Archiv verschrieben

„Ebensosehr und mehr noch als eine Sache der Vergangenheit, ihr vorrangig, müsste das Archiv das Kommen der Zukunft einbeziehen.“
– Derrida, Jacques: Dem Archiv verschrieben, S. 60.

„Wenn wir wissen wollen, was das Archiv bedeutet haben wird, so werden wir es nur in zukünftigen Zeiten wissen. Vielleicht. Nicht morgen, sondern in zukünftigen Zeiten, sogleich oder niemals. Eine gespenstische Messianizität beeinflusst den Begriff Archiv und bindet ihn, wie die Religion, wie die Geschichte, wie die Wissenschaft selbst, an eine ganz einzigartige Erfahrung des Versprechens.“
– Derrida, Jacques: Dem Archiv verschrieben, S. 65.

„Unersetzliche Einzigartigkeit des Dokumentes, das es zu deuten, zu wiederholen und zu reproduzieren gilt, doch jedes Mal in seiner ursprünglichen Einmaligkeit – ein Archiv ist es sich schuldig, idiomatisch zu sein, und damit der Übersetzung zugleich dargeboten und unzugänglich gemacht, offen für die Iteration und die technische Reproduzierbarkeit und ihnen doch entzogen.“
– Derrida, Jacques: Dem Archiv verschrieben, S. 160.

Posted by LMP, 21. Jun 2019
Archive Jacques Derrida Medientheorie Philosophie